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112 Newsletter vom 15. Oktober 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

wie gewohnt darf ich auch heute mit einer Betrachtung der statistischen Zahlen und Daten zur aktuellen Corona-Lage in Bayern beginnen. Diese stellt sich im Vergleich zu den Vorwochen deutlich verschärft dar. Heute, Donnerstag, 15.10.2020, 08:00 Uhr, verzeichnen wir 75.696 bestätigte COVID-19-Infektionen (Vorwoche 71.135). Das sind im Vergleich zum letzten Donnerstag 4.561 (nach 2.601 und 2.292 die zwei Wochen davor) mehr. Dies bedeutet einen rechnerischen Tagesschnitt von rund 652 Neuinfektionen. Für die sieben vorangegangenen Wochen lagen die Vergleichswerte bei 372, 327, 375, 376, 392, 273, bzw. 312.

Die aktuellen Zahlen marginalisieren den Trend der letzten Wochen, als wir eine stabile Plateaubildung unterhalb der Marke von 400 Neuinfektionen pro Tag hatten. Jetzt deutet alles darauf hin, dass die zweite Infektionswelle da ist und die bisherige lineare Steigerung von der von den Experten gefürchteten exponentiellen Steigerung abgelöst wird. Darauf weisen mehrere Indikatoren hin. Zum einen der heutige Tageswert. Dieser bildet mit 1.072 Neuinfektionen einen bisher nicht dagewesenen Spitzenwert. Im Vergleich zu den Frühjahrsspitzenwerten muss man zwar sehen, dass wir damals im Vergleich zu heute pro Tag nur etwa ein Fünftel der Tests durchgeführt haben. Aber gleichwohl lässt einen das Überspringen der 1.000er-Grenze doch im ersten Moment zusammenzucken.  

Zum anderen zeigen auch die Infektionskurven im Bund und bei unseren Nachbarstaaten steil nach oben. Hat das Robert Koch-Institut (RKI) für Gesamtdeutschland vor einer Woche und aus damaliger Sicht erstmals seit Langem wieder einen Tageswert von über 4.000 Neuinfektionen ausgewiesen (4.058), liegt dieser heute bei 6.638. Binnen einer Woche beträgt der Anstieg des Vergleichswerts somit mehr als 60 Prozent.

Unsere südlichen Nachbarn in Österreich haben gestern mit 1.345 Neuinfektionen ein „Allzeithoch“ erlebt (bis dahin lag dieses am 26.03.2020 bei 1.050, wobei hier Nämliches gilt wie für den heutigen Bayern-Wert). Und in Tschechien haben die zuständigen Behörden gestern mit 9.544 Neuinfektionen ebenfalls einen neuen Rekord registriert (am 14.09.2020 waren es 1.028). Es fängt also um uns herum an zu brodeln und auch bei uns steigt der Druck im Kessel, wenn Sie mir dieses etwas drastische Bild gestatten.

Für die Gesamtbeurteilung der Lage ist nicht zuletzt auch die Entwicklung der Positivrate wichtig. Sie setzt die Zahl der laborpositiven Tests ins Verhältnis zu deren Gesamtzahl und gibt insoweit unabhängig von der absoluten Zahl der erkannten Neuinfektionen einen Hinweis darauf, wie sich die Lage strukturell entwickelt. Auch dieser Parameter zeigt in Bayern nach einem erfreulich stabilen Trend der vergangenen Wochen, der konstant einen Wert von ca. 1 Prozent gezeigt hatte, nunmehr nach oben. Der heute ermittelte Wert liegt bei 2,1 Prozent und hat sich damit binnen Wochenfrist – wenngleich auf sehr niedrigem Niveau – etwas mehr als verdoppelt.

Wie Sie wissen sind für meine Einschätzung zur Corona-Situation seit jeher die Kenngrößen „Sterbefallzahl“ und „Hospitalisierungssituation“ von erheblicher Bedeutung. An oder mit einer Corona-Infektion sind in Bayern mittlerweile 2.698 Personen verstorben, das sind im Vergleich zur Vorwoche 19 Sterbefälle mehr, nachdem dieser Wert für die vorvergangene Woche bei +18 lag. Tschechien dagegen musste alleine gestern – bei ca. 10,7 Millionen Einwohnern – bereits 35 Corona-Tote beklagen.

Aktuell an COVID-19 erkrankt sind in Bayern 7.540 Personen oder 650 bzw. 9,4 Prozent mehr als gestern. Diese Entwicklung wirkt auch ein Stück weit in die klinische Situation hinein und auch hier – wenngleich ebenfalls zum Glück bislang auf sehr niedrigem Niveau – steigen die Zahlen „slowly but steadily“. Es deutet sich eine Fortsetzung des Aufwuchses der Zahl hospitalisierungs- und beatmungspflichtiger Patienten an. So befinden sich, Stand heute, in Bayern 328 Patienten wegen Corona in stationärer Behandlung (Vorwoche 243, in den Wochen davor 213, 215, 166, 215 bzw. 106). Von diesen liegen 76 (Vorwoche: 65) auf einer Intensivstation, von denen wiederum 66 (59) künstlich beatmet werden. Das sind nach der im Sommer eingetretenen Entspannung mit Tagen, an denen lediglich 20 COVID-19-Patienten beatmet werden mussten, die höchsten Werte.

Die auf den Tag abstellende Reproduktionszahl R, die angibt, wie viele weitere Personen ein Infizierter statistisch ansteckt, ehe er gesundet oder verstirbt, bemisst sich heute entsprechend der mathematischen Betrachtungen des Robert Koch-Instituts (RKI) auf R=1,0 (nach R=1,06 in der Vorwoche). Der auf einen Betrachtungszeitraum von sieben Tagen abstellende „geglättete R-Wert“ beläuft sich auch auf R=1,16, nach R=1,06 in der Vorwoche. Beide Werte pendeln weiterhin um die entscheidende Marke von 1,0, vor allem der geglättete und insoweit etwas stabilere, weil um Tagesausreißer bereinigte Wert, liegt oberhalb dieser. Damit hält sich diese Woche die Zahl der neu Infizierten und Genesenen ungefähr die Waage.

Lassen Sie uns nun gemeinsam den Blick auf die lokalen Entwicklungen richten. Auch in der Fläche zeigt sich der steigende Druck beim Infektionsgeschehen. Gleichlaufende Indikatoren sind hier sowohl die absoluten 7-Tage-Werte, als auch die Zahl der Landkreise und kreisfreien Städte, die jenseits einer 7-Tage-Inzidenz von 50 liegen.

Den höchsten Einzelwert verzeichnet aktuell der Landkreis Regen mit einer schon lange nicht mehr gesehenen 7-Tage-Inzidenz von 91,7. Allem Anschein nach gibt es hier nicht den einen großen Infektionsherd, sondern zahlreiche Einzelinfektionen, insgesamt ca. 70.

Auf Platz 2 der Liste steht der Landkreis Rottal-Inn mit einem Wert von 81,5. Auch hier verteilen sich die ca. 120 Infizierten großflächig auf das Kreisgebiet.

Platz 3 nimmt mit 73,4 der Landkreis Mühldorf ein. Hier gibt es einen identifizierten Hotspot, nachdem unter anderem 43 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Putenschlachterei positiv getestet worden sind.

Betrachtet man die Zahl der Gebietskörperschaften, die jenseits der Grenze von 50 Neuinfektionen binnen sieben Tagen bezogen auf 100.000 Einwohner liegen, dann zählt man heute 13 Landkreise bzw. kreisfreie Städte. In der letzten Woche waren es null.

Über dem Signalwert von 35 liegen 14 weitere Gebietskörperschaften.

Eine 7-Tage-Inzidenzrate von Null hat keine einzige Gebietskörperschaft vorzuweisen und ein einstelliger Wert wurde nur mehr für zehn von 96 Landkreisen und kreisfreien Städten ermittelt.

Generell lässt sich in der bayernweiten Zusammenschau zweierlei festhalten: Die Infektionslage hat eine neue Dynamik angenommen und es muss leider davon ausgegangen werden, dass diese mit dem heutigen Tag nicht ihren vorläufigen Endpunkt erreicht hat, sondern sich in den kommenden Tagen fortsetzen wird.

Und in Bezug auf die regionale Verteilung haben wir in etwa ein einigermaßen einheitliches Bild. In der Bayernkarte rot – mindestens 50 – oder orange – 35 bis 49,99 – eingefärbte Landkreise oder kreisfreie Städte finden sich sprenkelartig über ganz Bayern verteilt, wobei das bevölkerungsstarke Oberbayern etwas überrepräsentiert zu sein scheint.

Diese Zahlen führen unweigerlich zu der Frage, bei welchen Gelegenheiten sich die Menschen hauptsächlich angesteckt haben. Auch wenn es dazu keine messerscharfe Auswertung gibt, so deutet doch die Mehrzahl der episodenbezogenen Berichte aus den Gesundheitsämtern weiterhin an, dass es zu aller erst private Feiern sind, wo überproportional viele Menschen „ihre“ Infektionen aufgeschnappt haben.

Gestatten Sie mir nun im Lichte dieser Zahlen, Daten und Fakten einige Anmerkungen zur aktuellen Diskussion um die Angemessenheit der geltenden Corona-Schutzmaßnahmen und zu der Frage, wie es denn nun an der Schwelle zur kalten Jahreszeit mit der Corona-Bekämpfung weitergehen soll, um idealerweise die Infektionszahlen wieder zu senken und jedenfalls einen neuerlichen Shutdown zu vermeiden. Diese Frage beschäftigt die Politik in Bayern schon länger und sie hat nun mit voller Wucht die Bundesebene erreicht. JETZT muss entschieden werden. Denn die aktuelle Entwicklung der Infektionszahlen, s. o., zeigt nach Ansicht zahlreicher maßgeblicher Experten eindrücklich an, dass sich just in diesen Tagen, längstens binnen der nächsten drei Wochen, entscheidet, wie gravierend im Spätherbst und im Winter die Pandemie in Bayern und Deutschland verlaufen wird. Angesichts dessen hat diese Woche die Politik auf Landes- und Bundesebene einmal mehr intensiv beraten.

Bereits am Dienstag hatte der Ministerrat sowohl Prof. Dr. Gerald Haug, den Präsidenten der Nationalen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“, der ältesten naturwissenschaftlich-medizinischen Gelehrtengesellschaft im deutschsprachigen Raum, als auch die ehemalige evangelisch-lutherische Regionalbischöfin und jetzige Vorsitzende des Dreierrates Grundrechtsschutz sowie des Ethikrates, Susanne Breit-Kessler, zu Gast.

Ziel des Gedankenaustausches mit den externen Ratgebern war es, sich an dieser Schlüsselstelle des pandemischen Verlaufes einer kritischen Selbstvergewisserung zu unterziehen, ob wir in Bayern mit unserer Corona-Strategie ethisch, medizinisch, naturwissenschaftlich und juristisch auf der Hauptspur sind. Das ist nach Meinung der beiden hochkarätigen Experten der Fall.

Getreu nach dem Motto „Wir müssen reden“ hatte dann die Bundeskanzlerin gestern alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten um persönliches Erscheinen im Kanzleramt gebeten, um im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) die auf bundespolitischer Ebene zu treffenden Absprachen vorzunehmen. Sie haben es sicherlich den Medien entnommen, dass die Debatten durchaus kontrovers verlaufen sind und die MPK angesichts des wohl eher als „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu bezeichnenden Ergebnisses es sich selbst auferlegt hat, in zehn Tagen die Lage neuerlich zu prüfen, um ggf. erforderlich werdende einschneidend(er)e Maßnahmen abzusprechen.

Kernelemente der gestrigen Einigung waren etwa strengere Maßnahmen bereits ab dem Warnwert von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche, also der 7-Tage-Inzidenz 35. Den Bezugsrahmen bilden hierbei wie bisher die Landkreise und kreisfreien Städte. Ist diese Grenze gerissen, sollen Feiern im Familien- und Freundeskreis auf 25 Teilnehmer im öffentlichen Raum und auf 15 Teilnehmer im privaten Raum beschränkt werden. Es soll zudem eine ergänzende Maskenpflicht dort eingeführt werden, wo Menschen dichter und/oder länger zusammenkommen.

Ab einer 7-Tage-Inzidenz von 50 gilt eine Region auch in Zukunft als Risikogebiet. Mit Erreichen dieses Wertes sollen konsequent verschärfende lokale Beschränkungsmaßnahmen ergriffen werden, wie etwa eine Pflicht zum Tragen einer Maske, und die verbindliche Einführung einer Sperrstunde um 23.00 Uhr für die Gastronomie.

Heute nun wiederum hat sich der Ministerrat in Bayern außertourlich ein zweites Mal diese Woche und ausschließlich mit Corona beschäftigt, um die gestern in Berlin beschlossenen politischen Weichenstellungen für Bayern zu bewerten. Im Grunde hat die MPK vieles von dem nachgezeichnet, was in Bayern längst gilt. Im Ergebnis wurden dem fachlich zuständigen Gesundheitsministerium Leitlinien aufgegeben, welche Regelungen noch diese Woche zu ergreifen sind, um dort, wo nötig, die Ergebnisse der MPK förmlich in bayerisches Recht umzusetzen bzw. in einzelnen Punkten auch darüber hinauszugehen.   Ausgehend von der bereits beschriebenen Differenzierung 35/50 hat der Ministerrat folgende Leitlinien beschlossen:

Maßnahmen in Gebieten mit einer 7-Tages-Inzidenz größer 35: In Gebieten mit steigenden Infektionszahlen haben die Gesundheitsämter spätestens ab einer 7-Tages-Inzidenz über 35 folgende Maßnahmen durch Allgemeinverfügung anzuordnen:

  • Es wird eine Maskenpflicht dort eingeführt, wo Menschen dichter und/oder länger zusammenkommen. Das gilt insbesondere auf bestimmten, stark frequentierten Plätzen (z.B. Fußgängerzonen, Marktplätze), in allen öffentlichen Gebäuden, in den Schulen und Bildungsstätten, auf Begegnungs- und Verkehrsflächen (z.B. Fahrstühle, Kantinen, Eingangsbereich von Hochhäusern), für Zuschauer bei sportlichen Veranstaltungen sowie durchgängig auf Tagungen, Kongressen, Messen und in Kulturstätten.
  • Es wird eine Sperrstunde um 23 Uhr in der Gastronomie eingeführt. Ab 23 Uhr darf an Tankstellen kein Alkohol verkauft werden. Auf öffentlichen Plätzen besteht ab 23 Uhr ein Alkoholverbot.
  • Private Feiern und Kontakte werden auf zwei Hausstände oder maximal 10 Personen begrenzt (hier ist die bayerische Regelung strenger als die Empfehlung der MPK).

Maßnahmen in Gebieten mit einer 7-Tages-Inzidenz größer 50: In Gebieten mit steigenden Infektionszahlen haben die Gesundheitsämter spätestens ab einer 7-Tages-Inzidenz über 50 folgende Maßnahmen durch Allgemeinverfügung anzuordnen:

  • Es wird eine Sperrstunde um 22 Uhr in der Gastronomie eingeführt. Ab 22 Uhr darf an Tankstellen kein Alkohol verkauft werden. Auf öffentlichen Plätzen besteht ab 22 Uhr ein Alkoholverbot (insoweit sind die Maßgaben im Freistaat strenger als der im Bund gefundene Kompromiss).
  • Private Feiern und Kontakte werden auf zwei Hausstände oder maximal 5 Personen begrenzt.

Darüber hinaus verpflichten sich die Staatsregierung und alle ihre nachgeordneten Staatsbehörden, bis Jahresende 2020 keinerlei Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern auszurichten, selbst wenn zum entsprechenden Zeitpunkt vor Ort keine erhöhte Inzidenz bestehen sollte. Mit dieser Selbstbeschränkung wollen wir einerseits Planungssicherheit für das Protokoll- und Veranstaltungswesen schaffen. Andererseits wollen wir ganz gezielt ein Zeichen setzen, das allen Organisationen und Arbeitgebern in Bayern zur Nachahmung empfohlen ist.

Um Gleichklang zum übrigen Versammlungsrecht herzustellen, wird für Gottesdienste und religiöse Zusammenkünfte im Freien die bisherige absolute Personenobergrenze von 200 Personen gestrichen. Das schafft für Allerheiligen, Totensonntag, St. Martin und die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit frühzeitig Planungssicherheit zugunsten der Kirchen. Die Kirchen werden im Übrigen in ihren Infektionsschutzkonzepten zusammen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege weitere Details für einen geeigneten Infektionsschutz für die in den kommenden Wochen bevorstehenden kirchlichen Anlässe bestimmen.

Gestatten Sie mir jenseits der Beschlusslage des Ministerrates und der daraus resultierenden rechtlichen Festlegungen noch ein persönliches Wort. Die Staatsregierung kann viel Richtiges und Schlaues in die jeweils aktuelle Fassung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hineinschreiben und diese durch Polizei und Ordnungsbehörden intensiv kontrollieren und Verstöße teuer sanktionieren lassen. Am Ende entscheiden über den Erfolg oder Misserfolg aller Maßnahmen aber zu aller erst die Menschen im Lande durch ihr ganz persönliches Verhalten. Es kann nicht hinter jedem Baum oder an jeder Hausecke ein Polizist stehen und die Einhaltung der Vorschriften erzwingen. Die viel zitierten „Normadressaten“ müssen vielmehr selbst erkennen und akzeptieren, dass diese Beschränkungen zwar lästig, aber zum Nutzen jedes einzelnen sind, der nicht infektiös oder krank wird.

Gleichsam „ans Eingemachte“ geht es für die besonders vulnerablen Personengruppen, also Alte, Gehandicapte und Vorerkrankte. Ist ein stationärer Klinikaufenthalt mit künstlicher Beatmung schon für die mitten im Leben stehenden Altersgruppen alles andere als ein „Kinderspiel“, sondern ein extrem einschneidendes und vielfach lebensgefährliches Erlebnis, das jeder, der das mitgemacht hat, kein zweites Mal erleben will, so geht es bei den Vulnerablen noch viel schneller um Leben und Tod. Vor diesem Hintergrund geht es jetzt wieder darum, die Zahl der Sozialkontakte zu reduzieren, weil sich nur über diese das Virus verteilen und man ihm letztlich nur an diesem Punkt den Weg abschneiden kann.

Somit ist jeder einzelne gefragt, mit klarem Blick für die wesentlichen Aspekte zu prüfen, ob eine bestimmte Freizeitaktivität oder eine Reise oder die Teilnahme an einer Fete tatsächlich erforderlich oder nicht doch mit Blick auf das Infektionsgeschehen im Moment entbehrlich ist. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich gönne wirklich jedem und jeder das größtmögliche Vergnügen, aber das gilt natürlich nicht schrankenlos, sondern im Rahmen des Möglichen. Und diesen Rahmen bestimmt aktuell auch die Pandemie ganz maßgeblich mit. Insoweit rate ich zu einer gewissen Gelassenheit, zu Realitätssinn und – welch vermeintlich altmodisches Wort – zu Bescheidenheit und sogar Verzicht.

Sieht man verschiedentlich im Fernsehen die Statements von Partygängern, die gefragt werden, wie sie denn diese oder jene Einschränkung finden, dann könnte man meinen, das Lebensglück insbesondere jüngerer Menschen hänge zu aller erst am Feiern und Feten. So sah sich diese Woche der Moderator eines Morgenmagazins im Kontext einer Sperrstundenregelung gar zu der Frage veranlasst, ob die jungen Menschen diese Einschränkungen überhaupt verkraften könnten. Hä? Geht’s noch? Ich halte die Frage, was verkraftbar ist, für legitim, wenn es um einen Schicksalsschlag wie den Verlust eines nahen Angehörigen oder der wirtschaftlichen Existenz geht. Aber doch nicht im Kontext einer verlängerten Sperrstunde!

Diese Beispiele zeigen mir die Notwendigkeit, darauf zu achten, dass zum einen die Debatte nicht ins Belanglose abgleitet und zum anderen aus Rücksicht auf derlei absolutes Anspruchsdenken am Ende nicht viel einschneidendere Einschränkungen notwendig werden. Dann wären womöglich all die mittlerweile vorgenommenen und auch vom heutigen Ministerratsbeschluss unangetastet gelassenen Lockerungen im kulturellen Leben, im Sport, in der Gastronomie, bei Kongressen und Messen, in der Religionsausübung u.v.a.m. gefährdet und an weitere Lockerungen wäre lange nicht zu denken. Das aber würde unzählig viele Menschen viel stärker treffen als das tägliche Ende des Alkoholausschanks um 23 oder 22 Uhr.

Augen auf und durch!!

Mit besten Grüßen Ihr Joachim Herrmann, MdL Staatsminister